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Genomanalyse und informationelle Selbstbestimmung

(Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 26. Oktober 1989)

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat den Abschlußbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Chancen und Risiken der Gentechnologie" (Drucksache 10/6775) zum Anlaß genommen, die Risiken für die informationelle Selbstbestimmung jedes Betroffenen abzuwägen gegenüber den Chancen, die die Genomanalyse bringt. Durch die Offenlegung genetischer Daten eines Menschen kann dieser in seinem Persönlichkeitsrecht und sonstigen schutzwürdigen Belangen nachhaltig beeinträchtigt werden. Informationen aus dem Kernbereich der Privatsphäre, die dem Betroffenen selbst bisher unbekannt waren, können ihn zu einem an sich ungewollten Verhalten in seiner Lebens- und Berufsgestaltung veranlassen; ihre Kenntnis kann zu einer psychischen und sozialen Zwangslage für den Betroffenen führen. Wegen der genetischen Bedingtheit solcher Informationen können sich daher auch entsprechende Auswirkungen auf dritte Personen, insbesondere die Familie, ergeben. Das Bekanntwerden solcher Informationen kann den Betroffenen in seinem sozialen Umfeld diskriminieren mit der möglichen Folge gesellschaftlicher Ausgrenzung.

Um den besonderen Risiken bei der Anwendung der Genomanalyse zu begegnen, bedarf es der gesetzlichen Absicherung folgender Grundsätze:

1. Die Genomanalyse darf grundsätzlich nur auf freiwilliger Basis nach umfassender Aufklärung der Betroffenen vorgenommen werden; ausgenommen sind Straf- und Abstammungsverfahrcn.

2. Die jederzeit widerrufliche Einwilligung muß sich auch auf die weitere Verwendung der genetischen Informationen erstrecken. Im Falle eines Widerrufs sind die gewonnenen Informationen zu löschen oder an den Betroffenen herauszugeben.

3. Jede Genomanalyse muß zweckorientiert vorgenommen werden. Es ist diejenige genomanalytische Methode zu wählen, die keine oder die geringste Menge an Überschußinformationen bringt. Überschußinformationen sind unverzüglich zu vernichten.

4. Es ist zu prüfen, inwieweit genomanalytische Untersuchungsmethoden einer staatlichen Zulassung bedürfen. Für DNA-Sonden ist dies jedenfalls zu bejahen.

5. Die Genomanalyse im gerichtlichen Verfahren muß auf die reine Identitätsfeststellung beschränkt werden; es dürfen keine genomanalytischen Methoden angewandt werden, die Uberschußinforrnationen zur Person liefern. Die Nutzung der Genomanalyse im Strafverfahren setzt eine normenklare gesetzliche Ermächtigung voraus. Präzise Regelungen müssen u.a. sicherstellen, daß genomanalytische Befunde einer strengen Zweckbindung unterworfen werden.

6. Im Arbeitsvcrhältnis sind die Anordnung von Gcnomanalysen oder die Verwendung ihrer Ergebnisse grundsätzlich zu verbieten. Ausnahmen bedürfen der gesetzlichen Regelung. Eine bloße Einwilligung des Arbeitnehmers ist wegen der faktischen Zwangssituation, der er im Arbeitslebcn häufig unterliegt, nicht ausreichend.

7. Genomanalysen im Versicherungswesen sind grundsätzlich nicht erforderlich und mit dem Prinzip der Versicherungen, Risiken abzudecken und nicht auszuschließen, unvereinbar. Dies sollte durch eine Klarstellung im Versicherungsvertragsgesetz deutlich gemacht werden,

8. Im Rahmen der pränatalen Diagnostik dürfen nur Informationen über das Vorhandensein oder Fehlen von Erbanlagen erhoben werden, bei denen eine Schädigung heilbar ist oder die zu einer so schwerwiegenden Gesundheitsschädigung des Kindes führen würden, daß ein Schwangerschaftsabbruch straffrei bliebe.

Reihenuntersuchungen an Neugeborenen dürfen sich nur auf solche Erbkrankheiten erstrecken, die bei frühzeitiger Erkennung eines genetischen Defekts geheilt oder zumindest spürbar therapeutisch begleitet werden können.

Die Eltern müssen nach umfassender fachkundiger Beratung in voller Freiheit über die Anwendung genomanalytischer Methoden entscheiden können. Jegliche Beeinflussung, insbesondere jeder individuelle und gesellschaftliche Druck, muß vermieden werden.

Die informationelle Selbstbestimmung Dritter, zu der auch das Recht auf Nichtwissen gehört, muß berücksichtigt werden.

Die Konferenz versteht ihre Stellungnahme als Beitrag zur Diskussion mit allen Institutionen, die an den Fragen der Genomanalyse arbeiten. Sie legt Wert darauf, den Dialog mit der Wissenschaft fortzusetzen und dabei neue wissenschaftliche Erkenntnisse einzubeziehen.

 
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 am 17.10.2000
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