Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 16. August 1999
"Angemessener Datenschutz auch für Untersuchungsgefangene"
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder begrüßen, daß die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des
Vollzuges der Untersuchungshaft vorgelegt hat. Damit wird die seit Jahren erhobene
Forderung der Datenschutzbeauftragten nach einer bereichsspezifischen gesetzlichen
Regelung aufgegriffen.
Diese Regelung muß das Strafverfolgungs- und
Sicherheitsinteresse des Staates im Rahmen des gesetzlichen Zwecks der Untersuchungshaft
berücksichtigen. Gleichzeitig sind jedoch das Persönlichkeitsrecht der Gefangenen sowie
die Unschuldsvermutung und der Anspruch auf wirksame Verteidigung im Strafverfahren
angemessen zur Geltung zu bringen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt diesem
Anliegen durch differenzierende Vorschriften teilweise Rechnung, läßt allerdings noch
Raum für datenschutzrechtliche Verbesserungen. Die Stellungnahme des Bundesrates betont
demgegenüber einseitig das staatliche Vollzugsinteresse und entfernt sich damit deutlich
vom Ziel einer sorgfältigen Güterabwägung.
Nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten des
Bundes und der Länder muß die gesetzliche Regelung insbesondere folgenden Anforderungen
genügen:
Entgegen dem Vorschlag des Bundesrates, von einer
inhaltlichen Überwachung nur ausnahmsweise nach dem Ermessen des Gerichts abzusehen,
sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren an der Konzeption der Bundesregierung
festgehalten werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung differenziert bei der
Überwachung der Unterhaltung mit Besucherinnen und Besuchern sowie bei der Kontrolle des
Textes von Schriftstücken sachgerecht nach Haftgründen. Nur im Falle der
Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr sollten diese Maßnahmen unmittelbar und
generell durch Gesetz vorgeschrieben werden, während sie bei Vorliegen anderer
Haftgründe (z.B. Fluchtgefahr) nur im Einzelfall aufgrund richterlicher Anordnung
erfolgen dürfen.
Darüber hinaus sollte im weiteren
Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit unüberwachter Kontakte der Gefangenen zu nahen
Angehörigen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auch in Fällen der Untersuchungshaft
wegen Verdunkelungsgefahr erwogen werden. Stichprobenartige Überprüfungen von
Schriftstücken durch die Vollzugsanstalt anstelle einer Textkontrolle sollten nicht den
gesamten Schriftverkehr einzelner Gefangener umfassen. Dies könnte sich im Ergebnis als
verdachtsunabhängige Totalkontrolle ohne richterliche Entscheidung auswirken.
Das Recht auf ungehinderten und unüberwachten
telefonischen Kontakt zwischen Verteidigung und Beschuldigten muß auch in der
Untersuchungshaft gewährleistet sein. Mit dem rechtsstaatlichen Gebot wirksamer
Strafverteidigung wäre es nicht vereinbar, diesen Kontakt von einer besonderen Erlaubnis
des Gerichts abhängig zu machen, wie vom Bundesrat befürwortet.
Bei Datenübermittlungen an öffentliche Stellen
außerhalb der Vollzugsanstalt (z.B. Sozialleistungsträger, Ausländerbehörden) und an
Forschungseinrichtungen müssen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen im Rahmen
einer Abwägung berücksichtigt werden. Auch die Erteilung von Auskünften an die
Verletzten der Straftat sollte der Gesetzgeber unter Beachtung der
Unschuldsvermutung regeln.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene erhebliche
Einschränkung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts von Gefangenen im
Hinblick auf den Zweck der Untersuchungshaft würde wesentliche Datenschutzrechte in einem
besonders sensiblen Bereich weitgehend entwerten und ist daher abzulehnen.
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