Evaluierung des IuKDG
- Stellungnahme des Berliner Datenschutzbeauftragten im Auftrag des "Düsseldorfer Kreises"
-
5. März 1999
Das TDDSG hat sich in der Praxis der Aufsichtsbehörden überwiegend bewährt. Aus
hiesiger Sicht besteht insofern kein Grund für eine grundsätzliche Revision des
gewählten Regelungsmodells. Die Überschneidung der Gesetzgebungsmaterien
Telekommunikation sowie der Tele- und Mediendienste und die Verteilung der
Datenschutzkontrollkompetenz in den jeweiligen Bereichen machen zur Sicherstellung einer
bundesweiten effizienten und gleichmäßigen Kontrolle eine verstärkte Koordination
der beteiligten Aufsichtsbehörden erforderlich. Diese länderübergreifend
einheitliche Aufsichtspraxis ist durch die nach dem In-Kraft-Treten des IuKDG neu geschaffenen
Arbeitsgruppen "Telekommunikation, Tele- und Mediendienste" des "Düsseldorfer Kreises"
einerseits und dem bereits Ende 1997 vom BlnDSB eingerichteten "Kooperationskreis IuK -
Datenschutz" andererseits, in dem neben dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, den
Landesbeauftragten für den Datenschutz und den ministeriellen Aufsichtsbehörden auch die
unabhängigen Rundfunkdatenschutzbeauftragten sowie die Landesmedienanstalten vertreten sind,
sichergestellt. In beiden Gremien hat der Berliner Datenschutzbeauftragte den Vorsitz.
Insgesamt ist ein großer Beratungsbedarf sowohl bei den Anbietern von Telediensten als
auch bei den Nutzern zu verzeichnen. Die in Aufsichtsbehörden vorliegenden Eingaben von
betroffenen Bürgern sowie die Beratungsersuchen von Anbietern betreffen bisher
schwerpunktmäßig Fragen der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Anbieter
sowie der Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung.
Allerdings halten die Aufsichtsbehörden das Teledienstedatenschutzgesetz in einigen Punkten
für ergänzungsbedürftig:
Als schwierige Klippe stellte sich die Abgrenzung der einzelnen Regelungsbereiche heraus. Im
Gegensatz zum gewohnten juristischen Denken, das bemüht ist, für bestimmte Sachverhalte
jeweils den, aber auch nur einen geeigneten rechtlichen Rahmen zu finden, erfordert die Regelung
der Telekommunikation ein Denken in Schichten, das in der Telekommunikationstechnik seit der
Entwicklung moderner Netzstrukturen gängig ist. So unterscheidet das Open Systems
Interconnection (OSI)-Referenzmodell der International Organization for Standardization (ISO)
sieben übereinander gelagerte Schichten, deren Kommunikationsab- läufe jeweils gesondert
mit Hilfe von Kommunikationsprotokollen geregelt werden.
Die Schichten umfassen auf dem untersten Ebene den physikalischen Vorgang der
Signalübertragung, darüber gelagert sind Übertragungssicherung und die Vermittlung
im Netz. Während diese Vorgänge netzwerkabhängig sind und von denjenigen Stellen
erbracht werden, die den Transport im Netz bewerkstelligen, richten sich die darüber
gelagerten Schichten an die Teilnehmer der Kommunikation selbst: Sie betreffen zum einen die
Kommunikation zwischen den beteiligten Endgeräten, insbesondere die jeweilige
Kommunikationsform, zum anderen die Darstellung und Verarbeitung des Inhalts der Informationen
(Diensteschicht). Wichtig ist, dass bei jedem Telekommunikationsvorgang alle Schichten beteiligt
sind, wenn auch möglicherweise mehr oder weniger ausgeprägt.
Die Deutsche Telekommunikationsgesetzgebung ist mindestens implizit diesem Modell gefolgt, wenn
auch die Schichten gebündelt werden und es eine Vielzahl von Unschärfen gibt, die auf die
Entwicklung der Telekommunikation, aber auch auf eine bis heute nicht hinreichende theoretische
Durchdringung der Materie zurückzuführen sind.
In der Arbeitsgruppe des "Düsseldorfer Kreises" sowie dem Kooperationskreis
"IuK-Datenschutz" hat die Diskussion der Abgrenzungsproblematik seit In-Kraft-Treten des IuKDG
breiten Raum eingenommen. Obwohl sich bisher die aufgetretenen Abgrenzungsfragen zwar als
schwierig, aber dennoch als grundsätzlich lösbar erwiesen haben, halten die
Aufsichtsbehörden eine deutlichere Klarstellung der Geltungsbereiche der Vorschriften von TKG
und dem Telediensterecht für erforderlich. Diese Klarstellung sollte allerdings im Rahmen
einer Novellierung des TKG und nicht etwa IuKDG erfolgen.
Vielfach wurde von speichernden Stellen auch die Frage nach der Anwendbarkeit der Vorschriften
des TDG/TDDSG im Arbeitsverhältnis aufgeworfen. Dies betrifft zum einen die Fälle, in
denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmern den Zugang zu Telediensten (z. B. Internet) zur
dienstlichen und/oder privaten Nutzung zur Verfügung stellt, sowie die Fälle, in denen
den Arbeitnehmern unternehmensinterne ("Intranet"-)Lösungen zur Verfügung gestellt
werden.
Die Arbeitsgruppe des "Düsseldorfer Kreises" vertritt hierzu die Auffassung, dass weder das
Teledienstegesetz/Teledienstedatenschutzgesetz noch der Mediendienste-Staatsvertrag im
Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Beide Vorschriften setzen voraus, dass es sich bei
Anbieter und Nutzer von Tele- bzw. Mediendiensten um zwei verschiedene Instanzen handelt; jedoch
ist zumindest im Falle der ausschließlich dienstlichen Überlassung von Telediensten
durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer genau diese Voraussetzung nicht gegeben
("In-sich-Verhältnis"). Der Arbeitgeber ist damit insbesondere nicht verpflichtet, die
Gestaltung von Telediensten an den Grundsätzen der Datensparsamkeit auszurichten, noch den
Arbeitnehmern die anonyme bzw. pseudonyme Nutzung dieser Dienste einzuräumen. Hier finden
insoweit Vorschriften des BDSG Anwendung. Sofern allerdings eine private Nutzung der Dienste
vorgesehen ist, finden die Vorschriften des TDG/TDDSG für die private Nutzung in vollem Umfang
Anwendung; hier ist der Arbeitgeber dann als Anbieter von Telediensten im Sinne des TDG anzusehen.
Der "Düsseldorfer Kreis" vertritt die Auffassung, dass die Anwendbarkeit des TDG/TDDSG im
Arbeitsverhältnis einer ausdrücklichen Klarstellung bei der Novellierung des TDDSG
bedarf.
Verschiedentlich ist von Anbietern von Telediensten die Frage aufgeworfen worden, inwieweit eine
über die Vorschriften des TDDSG hinausgehende Speicherung von Nutzungs- und Abrechnungsdaten
auf Grundlage der Einwilligung der Nutzer möglich ist, obwohl diese - im Gegensatz zu den
entsprechenden Regelungen über Bestandsdaten - im TDDSG nicht ausdrücklich vorgesehen
ist. Einzelne Anbieter sahen hierin eine wesentliche Beschränkung der Einführung neuer
Dienste und vertraten die Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzung die Erhebung und Verarbeitung
von Nutzungsdaten auch auf der Grundlage der Einwilligung der Nutzer nicht zulässt. Die
Arbeitsgruppe des "Düsseldorfer Kreises" vertritt dagegen hierzu die Auffassung, dass auf der
Grundlage der Einwilligung der Nutzer auch Nutzungs- und Abrechnungsdaten über das in den
betreffenden Rechtsvorschriften des TDDSG genannte Maß hinaus verarbeitet werden dürfen,
obwohl dies in den jeweiligen Paragrafen nicht ausdrücklich erwähnt ist. Dies ergibt sich
aus der Formulierung des § 3 Abs. 1 letzte Alternative TDDSG. Dessen ungeachtet hält der
"Düsseldorfer Kreis" eine entsprechende Klarstellung in § 6 TDDSG für
wünschenswert. Allerdings wären auch an die Einwilligung inhaltliche Maßstäbe
anzulegen, insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit der Daten für den jeweiligen
Verarbeitungszweck. Keinesfalls sollte dagegen eine als Widerspruchslösung ausgestaltete
Vorschrift in den § 6 TDDSG aufgenommen werden.
Auch hat in der Vergangenheit die Frage der Geltung des Fernmeldegeheimnisses für
Teledienste Probleme aufgeworfen. Während die entsprechende Verpflichtung aus § 85 TKG
zweifellos für die den Diensten zugrunde liegende Telekommunikation ("Transportschicht") gilt,
ist unklar, inwieweit das Fernmeldegeheimnis in vollem Umfang auch für die Diensteebene gilt.
Sowohl das Teledienstegesetz als auch das Teledienstedatenschutzgesetz setzen an mehreren Stellen
die Geltung des Fernmeldegeheimnisses für Anbieter von Telediensten voraus (§ 5 Abs. 4
TDG; § 6 Abs. 4 Satz 2 TDDSG). Der Diensteanbieter hat außerdem durch
technisch-organisatorische Vorkehrungen u. a. sicherzustellen, dass der Nutzer Teledienste gegen
Kenntnisnahme Dritter geschützt in Anspruch nehmen kann (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 TDDSG). Die
Intention des Gesetzgebers war also offensichtlich, das Fernmeldegeheimnis mindestens implizit auch
auf Teledienste anzuwenden. Hier halten wir eine gesetzliche Klarstellung für zwingend
erforderlich. Nur die Schaffung eines besonderen "Teledienstegeheimnisses" kann eine
gleichmäßige Geltung des Artikels 10 GG auch im Teledienstebereich sicherstellen.
Darüber hinaus ist es erforderlich, verstärkt technische Möglichkeiten zur
anonymen oder pseudonymen Inanspruchnahme und Bezahlung von Telediensten zu schaffen bzw.
auszubauen. Dies könnte z. B. durch eine verstärkte Förderung von Projekten zur
Entwicklung von Sicherheitsinfrastrukturen erfolgen, wie sie bereits vom Hamburgischen DSB mit
Schreiben vom 10. November 1998 (Az.: D5 / 35.01-11) vorgeschlagen worden ist.
Dringend erforderlich ist weiterhin die Ergänzung des TDDSG um einen Bußgeldkatalog
analog den Regelungen des § 20 MDStV. In der Prüfungspraxis der Aufsichtsbehörden
hat sich darüber hinaus herausgestellt, dass Unklarheit darüber besteht, inwieweit ein
Rückgriff auf die Bußgeldvorschriften des BDSG (insbesondere § 44 Abs. 1 Nr. 6)
möglich ist. Hier wird eine entsprechende Klarstellung im TDDSG für erforderlich
gehalten, die eine Anwendbarkeit dieser Vorschriften zweifelsfrei sicherstellt, um den
Aufsichtsbehörden gegenüber kooperationsunwilligen Anbietern von Telediensten
entsprechende Druckmittel in die Hand zu geben.
Weitere Einzelfragen:
Zu Pkt. 3 des Fragenkatalogs:
In der Arbeitsgruppe des "Düsseldorfer Kreises" wurde erörtert, ob in Fällen, in
denen ein Unternehmen den Zugriff auf seine Datenbestände für externe Kunden öffnet,
das Telediensterecht durch die Regelungen des § 10 BDSG über die Einrichtung
automatisierter Abrufverfahren verdrängt wird. Dies ist nach Auffassung der
Aufsichtsbehörden nicht der Fall, da es sich beim Angebot derartiger Dienste um Teledienste im
Sinne des TDG handelt.
Allerdings ist nach Auffassung der Arbeitsgruppe in diesen Fällen eine Protokollierung
über die Regelung des TDDSG hinaus im Rahmen der Bestimmungen des § 10 BDSG möglich.
Insbesondere § 10 Abs. 4 BDSG ist insofern als "andere Rechtsvorschrift" im Sinne des § 3
Abs. 1 TDDSG anzusehen. Dies gilt allerdings nur für geschlossene Benutzergruppen, da §
10 Abs. 5 BDSG die Anwendung der übrigen Absätze des § 10 BDSG für den Abruf
aus Datenbeständen, die jedermann ohne oder nach besonderer Zulassung zur Benutzung offen
stehen, ausschließt.
Aus Sicht des "Düsseldorfer Kreises" wird damit den besonderen Erfordernissen bei der
Einrichtung geschlossener Benutzergruppen ausreichend Rechnung getragen. Ein Änderungs- bedarf
im TDDSG besteht insoweit nicht.
Zu Pkt. 5 des Fragenkatalogs:
Nach Auffassung der Aufsichtsbehörden ist die Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung im
TDG gegenwärtig nicht auf gewerbliche Angebote beschränkt. Die Einführung einer
solchen Beschränkung wird nicht für wünschenswert gehalten, da auch bei
geschäftsmäßigem Angebot von Telediensten ohne Gewinnerzielungsabsicht
regelmäßig ein Erfordernis für die Nutzer bestehen wird, den Verantwortlichen
für das Angebot identifizieren zu können. Eine Erweiterung der Identifizierungsmerkmale
wird allerdings nicht für erforderlich gehalten.
|