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XV/5054/99/endg. WP22
Gruppe für den Schutz der Rechte von Personen bei
der Verarbeitung personenbezogener Daten
Stellungnahme 5/99
zum
Schutzniveau personenbezogener Daten in der
Schweiz
Angenommen am 7. Juni 1999
Stellungnahme 5/99 zum
Schutzniveau personenbezogener Daten in der
Schweiz
Die Gruppe [1] wurde
darüber unterrichtet, daß die Europäische Kommission einen
Entscheidungsentwurf auf der Grundlage von Artikel 25 Absatz 6 der Richtlinie
95/46/EG erstellt hat, in dem festgestellt wird, daß die Schweiz aufgrund
ihrer internen Gesetzgebung ein angemessenes Schutzniveau im Sinne von Artikel
25 Absatz 2 der besagten Richtlinie gewährleistet.
Um der Europäischen Kommission mit Unterstützung des
durch Artikel 31 der Richtlinie 95/46/EG eingesetzten Ausschusses eine
Stellungnahme zu unterbreiten, hat die Gruppe eine Analyse der in der
Schweiz [2] anwendbaren Bestimmungen
zum Datenschutz durchgeführt.
In dieser Hinsicht muß unterschieden werden zwischen der
bestehenden Rechtslage auf der eidgenössischen Ebene – die dem Gesetz
über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 unterliegt, das später
geändert und vervollständigt wurde durch den Beschluß des
Bundesrats vom 14. Juni 1993 – und der bestehenden Lage auf der Ebene der
einzelnen Kantone.
In Anbetracht der Verteilung der Kompetenzen zwischen der
Eidgenossenschaft und den Kantonen gilt das eidgenössische Gesetz für
die in der Gesamtheit des Schweizer Privatsektors durchgeführte
Verarbeitung von personenbezogenen Daten sowie für die von
eidgenössischen öffentlichen Behörden durchgeführte
Verarbeitung; die kantonalen Bestimmungen betreffen ihrerseits die Verarbeitung
von personenbezogenen Daten im öffentlichen Sektor auf kantonaler oder
kommunaler Ebene. Unter die Zuständigkeit der Kantone fällt zum
Beispiel die Verarbeitung, die in den Bereichen Polizei, Schule,
Gesundheitswesen und insbesondere öffentliche Krankenhäuser
durchgeführt wird. Um ganz genau zu sein, muß hervorgehoben werden,
daß die Kantone ebenfalls dazu veranlaßt werden, bestimmte
Verarbeitungen von personenbezogenen Daten in Ausübung des
eidgenössischen Rechts durchzuführen, zum Beispiel für die
Erhebung der eidgenössischen Steuern.
Bevor eidgenössische und kantonale Rechtsnormen in
Betracht gezogen werden, muß zuerst festgestellt werden, daß die
eidgenössischen und kantonalen Normen mit den Normen übereinstimmen
müßten, die sich ergeben aus:
- einerseits dem Übereinkommen des Europarats
für den Schutz natürlicher Personen bei der automatisierten
Verarbeitung von personenbezogenen Daten (Übereinkommen Nr. 108). Dieses
Übereinkommen wurde von der Schweiz am 2. Oktober 1997 ratifiziert und legt
internationale Verpflichtungen sowohl für die Eidgenossenschaft als auch
für die Kantone fest, ohne direkt anwendbar zu
sein;
- andererseits der eidgenössischen
Verfassung (geändert durch Volksabstimmung am vergangenen 18. April), wie
durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts ausgelegt. Dabei muß
unterstrichen werden, daß der neue Verfassungstext jeder natürlichen
Person das Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre verleiht und insbesondere
das Recht auf Schutz vor der mißbräuchlichen Verwendung der Daten,
die sie betreffen (Artikel 13 über den Schutz der
Privatsphäre).
- Nach Ansicht der Gruppe gewährleistet das eidgenössische
Gesetz über den Datenschutz ein angemessenes Schutzniveau.
In
ihrer am 24. Juli 1998 angenommenen Arbeitsunterlage über die
Übertragung personenbezogener Daten an
Drittländer[3] hat die Gruppe die
Forderungen der Richtlinie erläutert und die konkreten Elemente
aufgezählt, die bei der Bewertung des adäquaten Schutzniveaus
berücksichtigt werden müßten. Bei Betrachtung einer
Entsprechungstabelle zwischen den Forderungen der Richtlinie und den
Bestimmungen des eidgenössischen Gesetzes[4]
wird ersichtlich, daß das eidgenössische Gesetz, das für die
automatisierte und manuelle Verarbeitung von Daten gilt, alle in der
vorgenannten Arbeitsunterlage aufgezählten Grundsätze vorsieht, sowohl
die Grundsätze des Schutzes natürlicher Personen als auch die
Mechanismen, die eine effektive Anwendung der Grundprinzipien gewährleisten
sollen. Einige Anmerkungen müssen allerdings zum Grundsatz der
Transparenz und des Schutzes empfindlicher Daten gemacht werden. Es ist
anzumerken, daß der Grundsatz der Transparenz ausdrücklich für
den besonderen Fall der systematischen Erhebung von Daten durch ein
eidgenössisches Organ vorgesehen ist. Aber im allgemeinen ergibt sich
dieser Grundsatz aus der Regel des guten Glaubens, die in Artikel 4 Absatz 2 des
Gesetzes enthalten ist[5]. Das Gesetz
sieht zwar nicht das Verbot der Verarbeitung empfindlicher Daten vor, stellt
aber spezifische Bedingungen für ihre Verarbeitung, sowie im übrigen
für die Persönlichkeitsprofile, die denselben Schutzregeln unterworfen
sind: Artikel 17 verfügt, daß diese Daten nur von
eidgenössischen Organen verarbeitet werden können, wenn ein Gesetz
dies ausdrücklich vorsieht oder ausnahmsweise wenn eine in einem Gesetz
festgelegte Aufgabe es unbedingt erfordert, wenn der Bundesrat es gestattet hat,
wenn die Person zugestimmt hat oder die Daten öffentlich zugänglich
gemacht hat. Was den Privatsektor betrifft, so unterwirft Artikel 13 Absatz 1
die Verarbeitung aller Daten der Einwilligung der Person, einem
ausschlaggebenden öffentlichen oder privaten Interesse oder einer
gesetzlichen Genehmigung; Artikel 12 verbietet die Weitergabe empfindlicher
Daten an Dritte ohne ausreichende Begründung. Schließlich wird der
Schutz empfindlicher Daten durch Artikel 35 des Gesetzes verstärkt, der
Strafmaßnahmen gegen jeden vorsieht, der eine Diskretionspflicht verletzt,
indem er unerlaubt solche Daten preisgibt. - Die Lage auf der Ebene der
Kantone ist schwieriger zu
erfassen[6].
Folgende Elemente gehen
jedoch aus der Studie, die auf Antrag der Dienststellen der
Kommission[7] durchgeführt wurde und die
sich besonders auf die Gesetzgebung mehrerer Kantone und die von dem
eidgenössischen Datenschutzbeauftragten gelieferten Angaben konzentriert,
hervor:
- Die von den Kantonen angenommenen
Gesetzesvorschriften beruhen im wesentlichen auf dem Übereinkommen 108;
diese Feststellung steht selbstverständlich in Übereinstimmung mit den
Verpflichtungen der Schweiz, die sich aus ihrer Ratifizierung des
Übereinkommens ergeben;
- die Verarbeitung personenbezogener Daten
muß den allgemeinen Grundsätzen entsprechen, die sich aus der
Rechtsprechung des Bundesgerichts insbesondere betreffend Artikel 4 der
eidgenössischen Verfassung (Gleichbehandlung) und betreffend die
persönliche Freiheit ergeben, die einen Mindeststandard hinsichtlich des
Datenschutzes festgelegt (insbesondere was die Grundsätze der Qualität
dieser Daten betrifft - besonders Rechtmäßigkeit, guter Glauben,
Zweckbestimmung, Verhältnismäßigkeit oder Genauigkeit der
Daten), das Zugriffsrecht, das Recht auf Berichtigung oder Vernichtung der
Daten. Diese Rechtsprechung müßte auf der Grundlage des neuen
vorgenannten Verfassungstextes wahrscheinlich bestätigt oder gar
bekräftigt werden;
- wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten
durch kantonale Organe, die in Ausführung des eidgenössischen Rechts
vorgenommen wird, nicht den kantonalen Bestimmungen über den Datenschutz
unterliegt, wird sie durch das eidgenössische Gesetz geregelt. Darüber
hinaus müssen sich die Kantone für diese Verarbeitung ein Organ geben,
das mit der Einhaltung des Datenschutzes beauftragt ist und mit denselben
Kompetenzen ausgestattet ist wie der eidgenössische Datenschutzbeauftragte.
Dies ist insbesondere der Fall bei der Verarbeitung von Daten zum Zweck der
Sozialversicherung, der Datenverarbeitung in den Bereichen Ausländer- oder
Asylrecht, der eidgenössischen Steuern oder der
Statistik;
- bestimmte Datenverarbeitungen unterliegen
spezifischen Normen der Vertraulichkeit, wie zum Beispiel die Verarbeitung
medizinischer Daten in den öffentlichen Krankenhäusern, die der
ärztlichen Schweigepflicht unterliegt.
Abschließend empfiehlt die Gruppe der Kommission
und dem durch Artikel 31 der Richtlinie 95/46/EG eingesetzten Ausschuß
festzustellen, daß die Schweiz ein angemessenes Schutzniveau
gemäß Artikel 25 Absatz 6 dieser Richtlinie
gewährleistet.
Brüssel, den 7. Juni 1999
Für die Gruppe
Peter HUSTINX
Vorsitzender
[1] Eingesetzt durch Artikel 29
der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.
Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23. November
1995, S. 31. Abrufbar unter folgender Adresse:
http://www.europa.eu.int/comm/dg15/fr/media/dataprot/index.htm.
[2] Um über bestimmte
Punkte genauere Informationen zu erhalten, hat der Vorsitzende der Gruppe am 15.
März 1999 ein Schreiben an den eidgenössischen Datenschutzbeauftragten
gerichtet. Dieser hat am 24. März 1999 geantwortet. Darüber hinaus
haben zwischen dem Sekretariat der Gruppe und dem eidgenössischen
Datenschutzbeauftragten informelle Kontakte stattgefunden.
[3 ]Verfügbar auf der in
Fußnote 1 genannten Website.
[4 ]Dokument 5007/99,
erhältlich bei den Dienststellen der Europäischen Kommission,
Generaldirektion XV "Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen",
Referat E1 "Freier Verkehr von Informationen, Datenschutz", Rue de la Loi
200, B - 1049 Brüssel.
[5] Diese Auslegung wurde von
dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten im Rahmen der informellen
Kontakte mit dem Sekretariat der Gruppe bestätigt.
[6 ]Man stellt fest, daß
von den 26 Kantonen der Eidgenossenschaft:
- 17 über eine Gesetzgebung hinsichtlich
des Datenschutzes verfügen (...), wovon drei eine Bestimmung über den
Datenschutz in ihre Kantonalverfassung aufgenommen
haben;
- 4 Regierungsrichtlinien angenommen
haben, wovon zwei ebenfalls eine Bestimmung in ihre Kantonalverfassung
aufgenommen haben; einer verfügt über einen
Gesetzesentwurf;
- die anderen Kantone haben
keine spezifische kantonale Regelung (drei davon entwickeln derzeit einen
Gesetzesentwurf).
[7 ]Verfügbar
bei den Dienststellen der Europäischen Kommission; siehe Adresse in
Fußnote 4.
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