Internationaler Datenschutz
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Gemeinsamer Standpunkt

der Internationalen Arbeitsgruppe für den Datenschutz in der Telekommunikation

zu

Infomediaries (Informationsmakler) - Eine datenschutzfreundliche Geschäftsidee?

vom 5. Mai 2000

Die Arbeitsgruppe hat seit 1999 die Notwendigkeit betont, technische Mittel zur Verbesserung des Datenschutzes für die Nutzer im Internet zu entwickeln, insbesondere, indem ihnen die Möglichkeit des Netzzuganges eröffnet wird, ohne dass sie ihre Identität preisgeben müssen, wo personenbezogene Daten zur Erbringung eines bestimmten Dienstes nicht erfordlich sind(1). Die Arbeitsgruppe hat auch Maßnahmen für die datenschutzfreundliche Gestaltung intelligenter Software Agents empfohlen(2). Mittlerweile ist eine Geschäftsidee entwickelt und in die Praxis umgesetzt worden, die den Anspruch erhebt, den Nutzern die Möglichkeit zum "Verbergen" ihrer Identität zu eröffnen, während sie im World Wide Web surfen.

John Hagel und Marc Singer haben "Infomediaries" definiert als "Makler oder Vermittlungsinstanzen, die den Kunden helfen, den Wert ihrer Daten zu maximieren"(3). Nach ihrer Meinung sind Infomediaries besser in der Lage, den Interessen der Nutzer und Kunden zu dienen, als Software Agents. "Viele Verbraucher zögern, .... intime Details über ihr Leben irgend- jemandem, geschweige denn einem elektronischen Programm zu offenbaren, das ihre Informationen in unangemessener Weise verbreiten könnte, während es sich durch das Netz bewegt." Verkäufer, die unzufrieden mit Software Agents waren, die nur Preise verglichen, fanden Möglichkeiten, sie von ihren Web Sites auszuschließen. Ein Infomediary würde demgegenüber als Agent oder Treuhänder der Kunden handeln und dabei agressiv deren Interessen vertreten und ihnen helfen, den Gegenwert zu optimieren, den sie von den Verkäufern erhalten. Durch die Aggregation von Daten und die Nutzung der kombinierten Marktmacht zahlreicher Kunden in einer "virtuellen Einkaufsgemeinschaft" würde ein umgekehrter Markt ("reverse market") entstehen.

Gleichzeitig sammeln Infomediaries detaillierte Daten von ihren Kunden über deren Wünsche, um die Web Sites finden zu können, die diesen Wünschen am Besten entsprechen. Ein Informationsmakler kann nur dann hoffen, ein außerordentlich weitgehendes Profil des einzelnen Kunden zu erhalten, wenn er verspricht, dessen Daten gegen Missbrauch zu schützen und personenbezogene Daten nur mit der ausdrücklichen Erlaubnis des Kunden für Werbezwecke zu offenbaren ("permission marketing"). Zu diesem Zweck wird der Informationsmakler sowohl einen "Datenschutz-Werkzeugkasten" als auch einen "Profilbildungs-Werkzeugkasten" anbieten. Der "Datenschutz-Werkzeugkasten" wird anonyme E-Mail-Adressen in Verbindung mit Filtersoftware zur Unterbindung von unerwünschter E-Mail-Werbung (spam) enthalten; er könnte auch technische Hilfsmittel zur Unterdrückung von Cookies ("Cookie-Schneider") zur Verfügung stellen oder Cookies im Interesse der Kunden einsetzen, um diesen eine Überprüfung des eigenen Verhaltens online oder der eigenen Einkäufe zu ermöglichen ("umgedrehte Cookies"). Der Informationsmakler sollte einen technischen Werkzeugkasten anbieten, um die Privatsphäre seines Kunden zu schützen und um die Verbraucher "in Anonymität zu hüllen"(4).

Der Profilbildungs-Werkzeugkasten würde andererseits den Aufbau einer sehr viel vollständigeren Übersicht der Transaktionen und Vorlieben des Kunden ermöglichen. Informationsmakler werden sogar Daten über Online-Aktivitäten mit Daten über konventionelle Offline-Geschäfte (z. B. unter Einsatz einer Kreditkarte) verknüpfen können. Diese Profile können dynamisch sein, d. h. sie entwickeln sich durch die Aktivitäten von Kunden mit ähnlichen Nutzungsprofilen und Präferenzen. Außerdem können den Kunden Profile über Verkäufer im Netz zur Verfügung gestellt werden, wodurch die Kunden Informationen über die Zahl der Verkäufe (z. B. eines bestimmten Computertyps) unter Einschaltung eines Informationsmaklers und über die Zahl der Beschwerden oder umgetauschten Produkte erhalten würden.

Der Kunde eines Infomediaries hat die Wahl, entweder anonym zu bleiben oder die Weitergabe seines Profiles und seiner personenbezogenen Daten an Verkäufer oder werbetreibende Unternehmen zuzulassen. Im zuletzt genannten Fall erhält der Kunde entweder kleinere Barbeträge, Rabatte beim Preis gekaufter Produkte, billigeren oder kostenlosen Netzzugang oder andere Vorteile. Kunden, die sich dazu entschließen, vollständig anonym zu bleiben, erhalten für den Verzicht auf die Barzahlungen oder anderen Vorteile die Zusage, das ihre Privatsphäre geschützt bleibt.

Eine Reihe von Infomediaries sind bereits im Netz tätig, die diese Geschäftsidee mit gewissen Modifikationen verfolgen. Sie bieten Dienste an, die vom Kinderschutz im World Wide Web (PrivaSeek) bis zur Online-Partnerschaftsvermittlung (yenta.com; flirtmaschine.de) reichen. Einige bieten elektronische Brieftaschen (electronic wallets) an, die es dem Nutzer erlauben, personenbezogene Daten einmal in ein Formular einzutragen und die Offenbarung dieser Daten zu kontrollieren.

Empfehlungen

  1. Es ist im Grundsatz zu begrüßen, dass Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre an Bedeutung im Marktgeschehen gewinnen und von einigen jungen Internet-Unternehmen als lukrative Geschäftsidee angesehen werden. Allerdings muss der Verbraucher effektive Rechtsschutzmöglichkeiten haben, falls seine Daten vom Informationsmarkler nicht in der versprochenen Weise genutzt werden. Eine Geschäftsidee kann Rechtsansprüche der Betroffenen nicht ersetzen, aber sie ist ein positives Beispiel für die Umsetzung eines bestehenden rechtlichen Rahmens mit Hilfe der Kräfte des Marktes.
  2. Es muss der freien Entscheidung der Betroffenen überlassen bleiben, ob sie das Recht zur Nutzung ihrer personenbezogenen Informationen verkaufen wollen. Einige Infomediaries (z. B. Partnerschaftsvermittlungen) verwenden extrem sensible Informationen. Darüber hinaus sind Betroffene nicht immer Verbraucher; sie können sich z. B. an politische Aktivitäten im Netz beteiligen und müssen sorgfältig abwägen, ob sie sich dabei eines "Agenten" bedienen wollen.
  3. Die Fähigkeit von Infomediaries zur Profilbildung unterstreicht die Bedeutung des Vertrauens in der Beziehung zum Kunden. Dies ist vergleichbar mit der Beziehung zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten oder der besonders vertrauensvollen Beziehung zwischen Ärzten und Patienten; die Gesetzgeber sollten prüfen, ob diese Beziehung entsprechend gegen Durchsuchung und Beschlagnahme geschützt werden muss.
  4. Schließlich müssen Infomediaries bei Aufbau von Persönlichkeitsprofilen die Grundsätze beachten, die die Arbeitsgruppe in ihrem gemeinsamen Standpunkt zu Online-Profilen im Internet am 5. Mai 2000 beschlossen hat.

1. Budapest-Berlin-Memorandum, Bericht und Leitlinien zu Datenschutz und Schutz der Privatsphäre im Internet, <http://www.lda.brandenburg.de/tb/tb5/tb5anl10.htm> [LINK]

2. vgl. den Gemeinsamen Standpunkt zu intelligenten Software-Agenten (April 1999)

<http://www.lda.brandenburg.de/tb/tb8/tb8anh.htm#C2> [LINK]

3. Hagel/Singer, Net Worth-Shaping Makets when Customers Make the Rules Havard Business School Press, Boston 1999

4. Hagel/Singer, ebda, S. 30 und Appendix (S. 261)

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