Public Eye
3. Deutsche Meisterschaften der Schlossöffnung
- ausgerichtet von den Sportsfreunden der Sperrtechnik Deutschlands e.V.(http://www.lockpicking.org)
Am ersten Tag der deutschen Meisterschaften, die parallel zum 16. Chaos Communication Congress am 27. und 28.12.1999 in Berlin stattfinden, traten 35 Teilnehmer in drei Disziplinen an.
In der "Königsdisziplin" Handöffnung wird ein handelsüblicher doppelseitig schließender Schloßzylinder verwendet, der mit Hilfe starrer, unbeweglicher Werkzeuge aus Federstahl, sogenannter "Picks" und "Spanner" geöffnet wird (http://home.t-online.de/home/SSD-ARCHIV/app-a.htm).
Die Spanner ersetzen dabei den Griff des Schlüssels, und vollführen die Drehung, während mit den Picks verschiedener Formen und Größen die Zacken des Schlüsselbartes "immitiert" werden.
Im Wesentlichen gibt es dabei zwei verschiedene Techniken, das "Harken" oder "Raken", bei dem mit einem Pick in schneller Folge immer wieder über alle Stifte im Schloß gezogen wird und die Technik des "Setzens", bei der einzelne Stifte gezielt in die geöffnete Position heruntergedrückt werden.
Während man mit dem Harken bei einfachen und mittelschweren Schlössern oft einen sehr schnellen Erfolg erzielt, bei komplizierten Schlössern aber mal schnell und mal überhaupt nicht zum Ziel kommt, ist das Setzen zwar die schwierigere und langwierigere Methode, führt aber zu einem besseren Verständnis des Innenlebens dieses Schlosses und damit auch zu reproduzierbaren Ergebnissen.
Nach der Öffnung des eigenen Schlosses, für die 5 Minuten zur Verfügung standen, standen je gegnerischem Schloss 15 Minuten zum Entsperren zur Verfügung.
Im Gegensatz zu den Vorjahren tauchten diesmal auch die bis vor wenigen Monaten als per Handöffnung nicht zu entsperrenden Bohrmuldenzylinder auf, deren Schlüssel daran zu erkennen sind, daß auf einem flachen Rohling unterschiedlich tiefe Muldenbohrungen angebracht sind, in die die Stifte des Schlossmechanismus greifen. Die Zylinder der Marken "Trelock" und "DOM" (Modell iX5) wurden dabei regelmäßig schon unter einer Minute geöffnet.
Auch Schlösser mit "konventionellem" Schlüssel waren jedoch in hohen Schwierigkeitsgraden vertreten, wie z.B. ein 7-Stiftiges Schloss aus DDR-Produktion, das zur Sicherung von Stasi-Anlagen im Einsatz war.
Neben den angetretenen Vorjahresbesten konnten sich auch wieder neue Teilnehmer für das am 28.12. stattfindende Finale qualifizieren, die zum ersten mal angetreten sind, wobei alle angetretenen Favoriten unter den sechs Finalteilnehmern sind.
Nach einer kurzen Pause fanden dann die Ausscheidungen zur Disziplin Freestyle an.
In der Disziplin Freestyle wird wiederum ein handelsüblicher doppelseitiger Schließzylinder geöffnet, wobei alle Gerätschaften erlaubt sind, die das Schloß nicht beschädigen. Für die Öffnung des eigenen Schlosses stehen dabei drei Minuten zur Verfügung, für die gegnerischen Schlösser jeweils fünf Minuten.
Neben den auch bei der Handöffnung verwendeten Picks kommen hier sehr oft die mechanische Pick-Gun und weniger oft der Elektro-Pick zum Einsatz. Beide Geräte bestehen aus einer Mechanik, die eine Federstahlleiste auf die oberen Schloßstifte schlägt. Bei der Pick-Gun geschieht dies durch eine Federspannung, die mit der eigenen Hand über einen Pistolenabzug aufgebaut und ausgelöst wird, während beim Elektropick ein Motorantrieb für die Schläge in hoher Frequenz sorgt. Wird nun so ein Schlag auf die im Schlossinneren liegenden Kernstifte übertragen, geben sie den Impuls an die unter ihnen befindlichen und das Schloss versperrenden Gehäusestifte weiter und bilden so einen Spalt zwischen den Stiften. Ergebnis des Aufwands: Schloss ist entsperrt.
In der Vorrunde im Freestyle, bei der auch sehr anspruchsvolle Schlösser vertreten waren, trat es erstmalig auf, daß in einer Teilrunde keiner der Teilnehmer das gegnerische Schloß öffnen konnte. Von den angetretenen Favoriten konnte der Vorjahresmeister sich knapp nicht für das Finale mit sechs Teilnehmern qualifizieren.
In der zuletzt ausgetragenen Disziplin Impressionstechnik waren keine Vorausscheidungen notwendig, alle Teilnehmer traten gegen die Uhr an. Sie bekamen ein originalversigeltes Schloss und eine beliebige Anzahl an Schlüsselrohlingen.
Diese Technik beruht darauf, daß die Kernstifte beim Einführen in den Schlosszylinder auf dem Schlüsselrohling feine Kratzer hinterlassen. Es gilt die Kratzer zu erkennen und mit einer kleinen Feile zu einer passenden Kerbe zu erweitern. Dabei kann man die Kratzer deutlicher hervorheben, indem man die untere Schlüsselkante mit einem Stift anmalt oder mit dem Russ einer Kerzenflamme schwärzt.
Sobald ein Teilnehmer ein Schloss sowohl in beide Richtungen öffnen als auch den selbstgefertigten Schlüssel aus selbigen wieder entfernen kann, hat er den Wettbewerb als neuer Deutscher Meister beendet. Trotz der Verwendung von Schlössern des gleichen Herstellers wie im Vorjahr, war es keinem Teilnehmer möglich sein Schloss innerhalb der vorgesehenen Wettkampfzeit von 90 Minuten zu öffnen.
Erst in der von der Wettkampfleitung beschlossenen Verlängerung von 30 Minuten gelang es dem Deutschen Meister in der Handöffnung von 1997, Jürgen Dreeßen - nun Deutscher Meister in der Impressionstechnik 1999 - , mit einer Zeit von 103 Minuten und 27 Sekunden das Schloss mit seinem dritten Rohling zu meistern, dabei wollte er eigentlich nach Ende der offiziellen Wettkampfzeit aufgeben und wurde nur durch die engagiert weiterarbeitenden Mitteilnehmer zum Weitermachen motiviert.
Bis zum Ende der Verlängerungszeit schaffte es dann kein weiterer Teilnehmer, sein Schloss noch zu öffnen.
Am zweiten Tag der deutschen Meisterschaften traten die jeweils sechs am Vortag qualifizierten Teilnehmer in den Disziplinen Hand–ffnung und Freestyle an.
In der Hand–ffnung hatten die Teilnehmer jeweils das eigene Schloss zu –ffen, um sich nachfolgend an den Schl–ssern ihrer Gegner zu versuchen. Zur Berechnung der Plazierung der Wettk”mpfer, wurden die Zeiten der f¸nf zu entsperrenden gegnerischen Schl–sser addiert. Wer es nicht schafft, das gegnerische Schloss innerhalb der vorgesehenen 15 Minuten zu –ffnen, bekam zu der 15 Minuten Wettkampfzeit noch die Zeit des langsamsten Mitk”mpfers als Zeitstrafe addiert.
Durch dieses Reglement werden qualitative Unterschiede in der ÷ffnungstechnik unterstrichen, und es kann sich derjenige weiter vorne plazieren, der keine Zeitsrafen durch Nicht–ffnung bekommt.
Nach einem heftigen aber fairen Wettkampf ergaben sich auf den vorderen Pl”tzen Ergebnisse, die f¸r sich sprechen, wobei der Vorjahresmeister seinen Titel nicht verteidigen konnte.:
Sieger "Handöffnung":
3. Platz: Gerhard Hepperle - Sportgruppe Stuttgart - mit einer Wettkampfzeit von 31,16 Minuten
2. Platz und damit Vizemeister: Mario Rutsch - Sportgruppe Hamburg - mit einer Zeit von 18,81 Minuten
1. Platz und damit deutscher Meister: Arthur B¸hl, Sportgruppe Hamburg - mit einer Zeit von nur 4,91 Minuten
In der Disziplin Freestyle traten danach wiederum die sechs Besten der Vortagesrunden gegeneinander an, wobei wiederum die Wettkampfzeiten zur Bewertung f¸r alle f¸nf gegnerischen Schl–sser addiert werden. Die geringere Wettkampfzeit von f¸nf Minuten, die zum ÷ffnen des gegnerischen Schlosses zur Verf¸gung stehen, f¸hrt dabei allerdings zu geringeren Unterschieden durch Zeitstrafen, da diese entsprechend niedriger ausfallen.
Trotzdem finden sich auf den ersten drei Platzen nur die Wettk”mpfer, die ohne Zeitstrafe blieben.
Sieger "Freestyle":
3. Platz: J¸rgen Dreeþen - Sportgrupe Hamburg - mit einer Wettkampfzeit von 8,23 Minuten
2. Platz und damit Vizemeister: Manfred B–lker - Sportgruppe Hamburg - mit einer Zeit von 3,68 Minuten
1. Platz und damit deutscher Meister: Arthur B¸hl - Sportgruppe Hamburg -, mit einer Zeit von 2,78 Minuten
Im Anschluss an die Preisverleihung wurde dann noch die "Fun-Disziplin" der Blitz–ffnung ausgetragen.
Die zwei dutzend Teilnehmer muþten dazu nach der ÷ffnung des eigenen Schlosses das Schloss eines Nachbarn entsperren. Wer innerhalb der Wettkampfzeit von nur 60 Sekunden das Schloss nicht aufbekam schied zusammen mit seinem Schloss aus.
Erlaubt sind dabei nur Handpicks und Spanner in beliebiger Anzahl sowie ein Schloss beliebigen Typs.
Die angetretenen Schl–sser reichten dementsprechend auch vom Chinesischen Vorh”ngeschloss mit einem Baujahr um 1920 bis zum Borhmuldenzylinder des Fabrikates KESO in franz–sischer Ausf¸hrung. Derartige Schl–ser sorgten zwar f¸r Verwirrung, wurden aber genauso schnell ge–ffnet wie "Standardschl–sser".
Nach dem KO-System wurde der Wettkampf weitergef¸hrt, bis nur noch drei gleichplazierte Sieger ¸brig blieben:
Sieger "Blitzöffnung":
Peter Grombach - Sportgruppe Unterland, Gerhard Hepperle - Sportgruppe Stuttgart und Borris Kuhn - Sportgruppe Saarland schafften es, in dieser Disziplin die in den sonstigen Wettkampfdisziplinen beherrschende Sportgruppe Hamburg in den vorderen R”ngen nicht auftauchen zu lassen.
Bericht: Derk Reckel (derk-reckel@link-goe.de)
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