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Notizen vom Hackschiff

von Jens Ohlig

Am 4.8.2000 war Hackschiff in Bonn, das war nett.

Das Vorspiel

Mit der Wasserschutzpolizei gab es abzuklären, ob uns ein Torpedoboot aufbrächte, wenn wir den Postknochen hissen würden. Kein Problem, auf dem Rhein hätte es noch nie Ärger mit Piraten gegeben. Das beruhigte dann auch ängstliche Bürokraten in der Reichshauptstadt.

In letzter Minute bekamen anstatt eines langweiligen Kaffeefahrtsdampfers von der Köln Düsseldorfer die MS Enterprise, die wohl eine der besten Lokationen für eine schwimmende Hackerparty ist.

Um 8:00h (?) ging ein Dutzend c4ler an Bord und hatte dann Zeit den Rest des Tages allerlei Aufbauarbeiten voran zu treiben. Derweil schipperte die Enterprise zwischen Bonn und Koblenz umher. An Land war ein SoKo damit beschäftigt, fehlende Details, wie die AS/400 und die Kasse aufzutreiben. O-Ton der Aufbaucrew: Nie wieder auf ein Schiff.

Die Zusammenarbeit mit der Schiffscrew war wohl sehr gut, bis auf ein älteres Crewmitglied, das meinte "Komische Party, wo niemand tanzt."

Den ganzen Tag gab es Anrufe quengeliger Hauptstädter, die nicht die nötige Liebe und Aufmerksamkeit bekamen. Das war zwar durch Routing von/zu Pizza, Nudeln und Toiletten zu bessern, aber ein Chill-in Programm wäre sicher eine Idee wert, schließlich war der erste Besucher bereits 5 Tage vorher angereist.

Die Fahrt

Der Check-In der Gäste schien ohne besondere Katastrophen vonstatten zu gehen. Andererseits hat das Überweisungs-/Tokensystem im Vorfeld wohl viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet, obendrein sind wohl nicht ganz wenige Wesen ohne zu bezahlen 'reingekommen. Kein Problem, unsere Kontonummer steht in unserer FAQ, man kann ja nachträglich noch den Eintritt überweisen. Das Hacker sich nicht anmelden können ist nun erwiesenermaßen ein Mythos. Das Berliner sich selten anmelden können, scheint aber zu stimmen.

Gedanke und Ausführung des Themenladens schien einigermaßen brauchbar: Ein zwangloser Rundumschlag über allerlei, was interessant sein könnte. Ein richtiger Vortrag wäre wohl zu verspannt für eine solche Party-Veranstaltung gewesen. Das Problem bleibt, wie man einen Referent-zu-Publikum Dialog hinbekommt. Neben technischen Problemen frißt sich das ganze oft fest und die Leute, die ein dringendes Mitteilungsbedürfnis haben, drängeln sich oft vor die, die etwas relevantes zu sagen haben.

Andy Müller-Maguhn und Hans Hübner haben sich leider vor der Podiumsdiskussion "Was haben wir Hacker erreicht?" gedrückt. O-Ton: "Das würde die Stimmung kaputtmachen."

Journalisten wollen Fotos, Hacker wollen keine. So kannte ich das bisher immer. Der eine Journalist auf dem Hackschiff wollte natürlich auch Fotos, aber ihm war immerhin klar, daß viele von uns keine Fotos wollten. Die Argumente daß ein Foto nicht Portrait der "Sturmhaube vor Monitor" bedeuten müßte und es mehr um Einfangen der Stimmung ginge, konnten überzeugen - schließlich sind die Bilder in Wired auch manchmal ungemein "kewl".

Das Netzwerk war wieder oft und gerne platt. Anscheinend handelt es sich dabei gar nicht so sehr um DoS, sondern schlichtweg um nmap. Leute, die nmap sonst nur über die heimische ISDN Leitung benutzen, unterschätzen, daß man ein grosses Ethernet ungewollt mit ARP-traffic plattmachen kann. Ein Vorschlag für den 17C3 ist, einen zentralen nmap-Server aufzusetzen, der permanent daß gesamte Netz scannt und die Ergebnisse veröffentlicht. Die anderen sollen das dann bitte sein lassen - ob das klappt?

Musik: wunderbar. Leider gab es keinen Stream und ich hätte gerne auf dem ganzen Schiff Musik gehabt. Die GEMA will 450 DM, der DJ nichts - würg.

Eins steht fest: WaveLAN ist mega-hip. Ohne daß die Organisatoren der Schiffsfahrt etwas davon wußten, war ein massives WaveLAN aufgebaut worden; mit 3 Basisstationen und einigen Dutzend Clients. State of the Art ist wohl Lucent Orinoco und Apple Airport Basisstationen. Aber auch die schnurgebundenen Netzwerker waren eifrig und so wurde das Oberdeck sowohl durch das Treppenhaus auch als außen am Schiff entlang (!) mit Ethernet versorgt.

Allerlei exotische Hardware war zu besichtigen. Die "Wettervax" des WDR will inzwischen sogar ein bisschen funktionieren. Highlight war allerdings wohl ein Koffer mit Notebook, NTBA, AB-Wandler und Analog-Telefon fest eingebaut.

Die Sponsoren waren mehr oder weniger präsent. Der Büchertisch von Bouvier stand für die uns unterstützenden Verlage und war eher praktisch, als lästig. Und die Plakate vom twisd ag (ig, vormals create-media) fielen nicht wirklich unangenehm auf.

In Köln wurde nach einem Triumpzug mit wehenden Fahnen an der Uferpromenade entlang angelegt und einige Leute deckten sich mit Leckereien vom Rummel ein. gate5 bewies, daß sie an etwas sinnvollem arbeiten und bestellten Pizza an den Steg.

Ein riesigen Dank an die Organisatoren. Allen voran Ingo <iscs>, der uns offensichtlich jeden Sommer eine Wahnsinnsaktion schenken muß. Auch Jens Ohlig hat, soweit ich das mitbekommen habe, recht viel Nerven dabei gelassen. Den fleißigen Händen, die sich den ganzen Freitag über beim Aufbau verschaukeln haben lassen natürlich auch Dank. Es war sehr schön, euer Gast zu sein.

 

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